<p>Vermutlich wären viele Menschen keineswegs glücklich darüber, würde man sie als „Nerd“ bezeichnen. Doch bei dem Neuseeländer Ruban Nielson, dem Kopf des Unknown Mortal Orchestras, der mittlerweile in Portland an der US-Westküste lebt, geht das nicht nur in Ordnung – er würde dies wahrscheinlich sogar als Kompliment empfinden. Anders ließe sich die stets spannende, aber nicht minder eigenwillige Musik, ebenso wie die Inhalte der Songs und auch das gesamte Artwork dieser Band, wohl kaum erklären. Seinen musikalischen Anfang nahm Nielson als Frontmann der Neuseeländer The Mint Chicks, die er mit seinem Bruder Kody bestritt und mit denen er drei Alben und mehrere EPs veröffentlichte. 2010 löste sich die Band auf, Nielson verzog sich in sein Kellerstudio und dachte seine musikalische Veräußerung noch einmal komplett neu an. Eine erste Meldung seines neuen Projektes fand man im Frühjahr 2010 auf Bandcamp, wo er den Song „Ffunny Ffriends“ hoch lud – nur den Song, ohne jede weitere Information. Über Nacht verbreitete sich der Song über die ganze Welt, zahllose Online-Blogs wiesen auf die grandiose Klasse dieses Lieds hin – und jeder fragte sich, wer der Urheber dieses besonderen Stücks Musik ist, das zwischen Psychedelic Rock, altem Soul, Indie, Garagen-Rock und LoFi-Attitüde oszillierte.<br /> Aus einer Laune heraus benannte Nielson den Interpreten seines Stückes als Unknown Mortal Orchestra. Es war der Auftakt zu einer musikalischen Reise, die sich bis heute immer weiter diversifiziert. Ein Jahr später, im Sommer 2011, erschien das selbstbetitelte Debütalbum dieses mysteriösen Orchesters, das zu diesem Zeitpunkt noch ein reines Soloprojekt von Ruban Nielson war. Medien und Fans zeigten sich begeistert, die Platte gewann den renommierten Taite Music Prize, der in jedem Jahr das beste neuseeländische Album auszeichnet. Zudem erhielt Nielson bei New Zealand Music Awards eine Ehrung „Best Male Artist“. Nun standen weltweite Livekonzerte an, hierfür rekrutierte Nielson nach und nach eine Band, die ihn bis heute begleitet und neben Nielson aus Bassist Jake Portrait, Schlagzeugerin Amber Baker und Keyboarder Quincy McCrary besteht. Bereits mit dem nächsten Album „II“ heimste das kleine Orchester weitere Preise ein, darunter erneut einen New Zealand Music Award. <br /> <br /> Internationale Tourneen, oft an der Seite der zu ihnen hervorragend passenden Grizzly Bear, mehrten den Erfolg. Es dürfte nicht viele Bands weltweit geben, die mit einem derart signifikant eigenen, extrem heterogenen Sound auf derart breites Interesse stoßen. Nachdem Nielson, der bis heute die Grundzüge seiner Musik in seinem Kellerstudio entwirft und erst dann in das Bandgefüge einbringt, auf „II“ inhaltlich alle Irrungen und Wirrungen einer Partnerschaft auslotete, beschäftigte sich das dritte, bislang letzte Album „Multi-Love“ mit den spannungsgeladenen Dynamiken, die sich aus Dreier- und offenen Beziehungen ergeben. Mit prägnanten Worten werden darin all die Schmeicheleien, Enttäuschungen, Gefahrenherde und Missverständnisse von Dreiecks-Beziehungen thematisiert, alles verpackt in extrem raumgreifende Musik, die dem Soul der 60er ebenso nahesteht wie dem Psychrock der 70er, dem LoFi-Klang der Neunziger sowie der Renaissance alter Keyboard-Sounds, die Nielson zum Teil durch Modifikationen an den Instrumenten komplett neu kreiert hatte.<br /> <br /> Kurz vor Weihnachten 2017 erschien, wie in jedem Jahr, ein kleines Weihnachtsgeschenk der Band: Das schlicht „SB-05“ betitelte 28 Minuten lange Spacerock-Indie-Monster lässt erahnen, dass das kommende, noch unbetitelte Album, dessen Erscheinen im Frühjahr immer wahrscheinlicher wird, die horizontweite Klangwelt des Unknown Mortal Orchestras noch einmal um viele weitere Klang-Facetten ausdehnen wird. Es bleibt eben, wie es ist: Ein echter Nerd tut nur das, was seine Nerdigkeit ihm diktiert. In diesem Fall könnte den Fans von herausragend eigener Musik nicht Besseres passieren.</p>